Fiktive Abrechnung und Vorschäden: Belege wichtig!

Unfallschaden fiktiv abrechnen

Von einer sogenannten fiktiven Abrechnung spricht man, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung die Reparaturkostenansprüche auf Grundlage des Sachverständigengutachten über den Unfallschaden berechnet, bevor die Reparatur erfolgt ist. Dabei ist es egal, ob der Schaden tatsächlich fiktiv abgerechnet, also privat repariert wird, oder die reparatur in einer Werkstatt erfolgt.

Zusammen mit dem Abrechnungsschreiben senden die Haftpflichtversicherungen nach Erhalt des Gutachten eines Sachverständigen oder der Reparaturrechnung einen sogenannten Prüfbericht an die Werkstatt oder das Autohaus, welches die Reparatur des Unfallwagens vornimmt oder bereits vorgenommen hat, bzw. an den Geschädigten, wenn die Reparatur tatsächlich fiktiv erfolgen soll.

In diesem Prüfbericht begründet die Versicherung die Kürzungen bei der Abrechnung der „fiktiven“ Reparaturkosten, die in einem Gutachten als erforderlich befunden wurden. Einzig bei der Erneuerung von Verschleißteilen darf die Versicherung Abzüge vornehmen, weil diese eine Wertverbesserung darstellen.

Diese Kürzungen werden damit begründet, dass sie nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nötig seien, um das Fahrzeug wieder herzustellen. Dabei wird oft darauf verwiesen, dass bei einer Reparatur in einer anderen Werkstatt bestimmte Kosten nicht erhoben wurden oder anders abgerechnet wurden. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers versucht so, auf den Werkvertrag zwischen Geschädigtem und Autohaus bzw. Werkstatt zu beeinflussen. Dabei müssen sie bis zu 130 Prozent des Fahrzeugwertes für eine Reparatur des Unfallwagens zahlen, erst bei höheren Kosten gilt eine Reparatur als unwirtschaftlich.

Außerdem gelten die Prüfberichte nicht als Gegengutachten und mindern den Schadensersatzanspruch nicht, denn ein Gutachten muss immer unabhängig erfolgen. Außerdem hat der Geschädigte Anspruch auf die Reparaturkosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt, sofern das Unfallfahrzeug nicht älter als drei Jahre war oder ein älteres Fahrzeug regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert wurde. Wurde es jedoch anderweitig gewartet, ist dies nicht möglich. Verlangt die Versicherung dann eine Reparatur in einer freien Werkstatt, so darf diese nicht unzumutbar weit entfernt sein.

Relevante Urteile:
AG Darmstadt: Az. 308 C 52/14, 10.06.2015 (Wertverbesserung)
AG Bad Homburg: Az. 2 C 2943/16,  30.10.2017 (Relevanz von Prüfberichten)
BGH: Az. IV ZR 281/14, 10.12.2014 (Unabhängigkeit von Gutachtern)
BGH: Az. IV ZR 426/14, 11.11.2015 (fiktive Reparaturkosten in markengebundener Werkstatt)
AG Bochum: Az. 66 C 439/17, 18.05.2018 (Bewertung von Prüfberichten)
BGH: Az. VI ZR 182/16, 07.02.2017 (Anspruch auf markengebundene Fachwerkstatt)

Fehlende Belege werden zum Problem

In letzter Zeit werden die Schadensersatz- bzw. Reparaturkostenansprüche immer häufiger von den Versicherungen angegriffen und Ansprüche gekürzt. Dies ist besonders der Fall, wenn das Unfallfahrzeug bereits zu einem vorherigen Zeitpunkt beschädigt war und privat repariert wurde oder das Fahrzeug älter als drei Jahre ist und nicht in einer markengebundenen Fachwerkstatt scheckheftgepflegt wurde oder das Scheckheft abhandengekommen ist.

Die Versicherungen setzen gezielt bei der Vorschadenproblematik an und argumentieren, dass bestimmte Schäden bereits vor dem Unfall bestanden hätten. Die Beweislast liegt in jedem Fall bei dem Geschädigten. Wenn der Reparaturweg des Vorschadens nicht wie im Sachverständigengutachten beschrieben belegt werden kann, weil alte Reparaturrechnungen oder Gutachten fehlen oder fiktiv abgerechnet und privat repariert wurde, kann dies zu einem ernsten Problem für die Schadensersatzansprüche der Geschädigten werden, da die Rechtssprechung zum Teil nicht eindeutig ist.

Es ist daher dringend zu raten, alle Gutachten und Reparaturrechnungen sicher aufzubewahren, um im Zweifelsfall die nötigen Nachweise erbringen zu können.

Relevante Urteile:
OLG Bremen: Az. 1 U 90/19, 30.06.2021 (Vorlage von Rechnungen und Nachweis einzelner Reparaturschritte geht zu weit)
BGH: Az. VI ZR 377/18, 15.10.2019 (Anforderung an Nachweise hängt von Kenntnisstand der Betroffenen ab)
LG Berlin: Az. 42 O 123/18, 10.04.2019; KG Berlin: Az. 12 U 9/09, 12.11.2009; 22 U 152/14, 27.08.2015; 22 U 79/16, 10.07.2017 (Konkreter Nachweis einzelner Reparaturschritte und tatsächlicher Reparatur nötig)
BGH: Az. VI ZR 115/89, 17.03.1990 (Anspruch auf abgrenzbare Schäden auch ohne Vorschaden-/Reparaturnachweis)

Beitragsbild: bilanol / AdobeStock www.stock.adobe.com

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